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Trophee Andros Eletric
Unter Spannung: Motorsport elektrisch

Hierzulande redet man sich die Köpfe heiß, wie in naher Zukunft der Rennsport aussehen und ablaufen könnte - anderswo geht man viel pragmatischer mit dem Thema um. Unsere französischen Nachbarn beweisen, dass es nicht des Aufwandes eines Tesla bedarf, um schnell unterwegs zu sein. Jenseits des Rheins ist man schon wesentlich weiter: Mit einer spektakulären Rennserie für E-Renner: Die Trophée Andros Electrique. Motorsport elektrisch: einzelne Versuche mit Prototypen, Hybriden hat es zwar schon wie beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring gegeben, aber noch keine eigenständige Meisterschaft. Die Franzosen haben sie bereits im Rahmenprogramm der bekannten Eisrennserie, die seit 20 Jahren jedes Wochenende von Dezember bis Februar bis zu 15.000 Besucher in bekannte Ski-Ressorts der Alpen lockt. Auch mit E-Rennern wird nicht erst seit gestern gedriftet, sondern sie haben vor kurzem bereits die zweite Saison abgeschlossen. Gefightet wird dort nicht weniger als in der Serie die mit thermischen, sprich Verbrennungsmotoren (rd. 350 PS, V6-Motoren, Vierrad-Antrieb & gegenläufige Vierradlenkung) gefahren wird.

Exagon-Engineering

Die elektrisch betriebenen aktuellen Renner der Saison 2011 sind inzwischen die dritte Generation. Entstanden ist der Renner bei Exagon Engineering, einem in Magny Cours (an der französischen F-1 Rennstrecke) ansässigen, auf Prototypen- und Kleinserien-Entwicklung spezialisiertem Unternehmen. Aufsehen erregte das Unternehmen jüngst mit der Vorstellung des ersten vollständig elektrischen Luxuswagen "Furtive-eGT". Sie entwickelten den 3,35 m langen, 1,70 m breiten und 1,38 m hohen Flitzer mit einem Radstand von 2,49 Metern. Die Spurweite vorn beträgt 1,49 Meter, hinten einen Zentimeter mehr. Die eigentlichen Karosserieteile werden aus Glasfaser-Verbund-Material hergestellt. Dabei lassen sich, zwecks einfachem Handling im Rennbetrieb, die gesamte Front, wie auch das Heck und die Türen "am Stück" entnehmen bzw. gegebenenfalls austauschen. Die Grundstruktur des Renners besteht aus einem geschweißten Gitterrohrrahmen, je nach Belastung und Lage entweder aus soliden Rohren oder unterschiedlich starken Profilen. An und in ihm werden alle weiteren Module, wie bei einem "herkömmlichen Rennwagen" eingebaut. Vor der Hinterachse sitzt dann aber nicht ein Verbrennungsmotor, sondern die notwendigen Komponenten für den elektrischen Antrieb. Die Franzosen setzen dabei, wie bei ihren weiteren Aktivitäten, auf ein eingespieltes Team von Batterie- und E-Motor-Lieferant, die auch unter einander zusammenarbeiten.

Siemens PLM

Der Elektro-Motor, nach dem Asyncron-Prinzip arbeitend, kann dabei grundsätzlich als Motor oder Generator verwendet. Er leistet 90 kW/122 PS und stellt, E-Motor typisch, das maximale Drehmoment von 200 Nm von 0-5000 U/Min. zur Verfügung. Darüber hinaus wurde die ausgesprochen kompakte Antriebseinheit extra auf die besonderen Anforderungen der Eisrenner ausgelegt. Er stammt dabei, wie unschwer in diesem Zusammenhang zu erraten, von Siemens. Er wiegt rund 30 Kilogramm, wobei einige Pfunde zum einen auf das Konto der zusätzlichen Motorsport-Anforderungen gehen, zum anderen aber auf die besondere Abschirmung aufgrund des Einsatzes bei den Eisrennen. Die unzähligen hauchfeinen Eiskristalle, die von den bespikten - 290 Stück sorgen pro Hinterachs-Pneu von Serien-Ausrüster Continental für Grip - Reifen ausgewirbelt werden, suchen sich nämlich bei ihrem Auftreffen die warmen Metallteile in flüssiger Form ansonsten ihren Weg in die Elektrik. Dies auszuschließen erfordert die umfangreichen, auch für den denkbaren Fall eines heftigen Renn-Crashs notwendigen wie gewichtigen Vorsorgemaßnahmen. Dies betrifft nicht nur den -Motor, sondern auch die ebenso ausgelegte wie geschützte Inverter-Einheit. Diese wandelt die von den Batterien gelieferte Gleichspannung in Wechselstrom bzw. umgekehrt in Phasen der Rekuperation (Energie-Rückgewinnung). Außerdem ermöglicht dieser die präzise Regelung des elektrischen Antriebs, sprich des E-Motors. Die komplette Steuerung des gesamten Renners, kommt ebenso wie die Basis-Software auch von Siemens. In Zusammenarbeit mit Siemens PLM entstand zudem der "Inhalt" der Black Box. Komplett via Kennfelder läuft die System-Steuerung des Renners. Ebenfalls an Bord: komplettes Data-Recording und Schnittstellen zum Auslesen aller der während des Rennens über unzählige Sensoren etc. gesammelten und gespeicherten Daten. Mit dem Global Player in Sachen Elektronik arbeitet Exagon auch bei anderen Projekten zusammen. Dabei entstand jüngst Frankreichs erster vollständig elektrischer Luxuswagen, der Furtive-eGT. Der Chef des Unternehmens, Luc Marchetti, arbeitete bevor er sich mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig machte, als Ingenieur für einige französische Top Fahrer wie Franck Lagorce, Alain Prost und den WTCC- wie zigfachen Trophee Andros Champion Yvan Muller. Oder kurz ausgedrückt: Die federführend Beteiligten an diesem Projekt kennen sich nicht nur seit vielen Jahren, sondern arbeiten auch für- wie miteinander. Und fahren am Wochenende publikums-wie medienwirksam Eisrennen, denn zu den bereits genannten kommen noch weitere aktuelle wie ehemalige Formel-1 Piloten hinzu: Romain Grosjean, Jacques Villeneuve, Olivier Panis, Patrick Tambay und Jacques Laffite fahren entweder noch selbst oder kümmern sich telegen ihre Sprösslinge vor Ort.

Prominente Namen

Damit sich überhaupt ein Rad an dem auch optisch flotten Renner derart dreht, dass es Eiskristalle "produziert", bedarf es auch hier einem: Energie - in diesem Falle Elektrische. Denn: Was nützt die beste Antriebs-und Steuerungs-Technik, wenn nicht eine entsprechend dauerhafte wie leistungsfähige Versorgung gesichert ist. Sie kommt in der Trophée Andros Electrique aus einem Lithium-Ionen Batterie-Paket mit 27 Modulen. 293 Volt und rund 24 kWh Power sind die Eckdaten. Damit wird ein Rennen von bis zu 35 Minuten - in der ersten Version waren es nur 10 Minuten - mit einer konstanten Geschwindigkeit von 150km/h möglich. Als absolute Spitzenleitung stehen 130kW/176 PS für rund 30 Sekunden zur Verfügung. Genügend Kraft also, um auch nach Ende der jeweiligen Rennen noch weitere Power für die dann gern folgenden "Donats" der siegreichen Piloten zu liefern. Inzwischen genügen gerade einmal 25 Minuten Ladezeit, um genügend Kraft für den nächsten "Turn" und eine eindrucksvolle Show auf spiegelglatten Parkett, sprich den eigens angelegten Eisrennkursen bereit zu stellen. Auch hier setzten die Beteiligten auf einen schon bekannten Partner:

SAFT Batteries - nomen est omen

Das Unternehmen, 1918 gegründet, ist ein Spezialhersteller von Hochtechnologiezellen mit fast 100jähriger Tradition, weltweit agierend und mit einer führenden Position in den entsprechenden Märkten rund um den Globus. Gefertigt werden Spezialbatterien mit High-End-Technologie für innovative und traditionelle Einsatzbereiche vom Schienenverkehr, Marine- und Medizintechnik, über Notfall- / Sicherheits-Systeme und Telekommunikationstechnik bis hin zur Luft- / Raumfahrt- & Satelliten-Technologie. Die eigene, im Januar 2008 in Nersac (110 Kilometer nordwestlich Bordeaux) gebaute Fabrik (zusammen mit Johnson Controls), war die erste ihrer Art. Hergestellt werden dort aktuell die Lithium-Ionen Batterien für viele aktuell am Markt befindlichen Hybrid- und Plug-In Hybrid Fahrzeuge.

Umfassende Entwicklungsarbeit

Das bei den Eisrennen eingesetzte Batteriepaket wiegt derzeit noch 277 kg (252 kg netto). Es ist das schwerste Bauteil des Renners und wurde so platziert, das eine optimale Gewichtsverteilung des Boliden herauskam. Die dafür notwendige Abstimmung einschließlich aller verbauten Fahrwerkskomponenten (u.a. vielfach verstellbare Stoßdämpfer mit 300 Millimeter Federweg) leistete mit Franck Lagorce ein auch international bekannter Profi-Pilot. Dabei stießen die Beteiligten auf ein Thema, dass die wenigsten in diesem Umfeld vermuteten. Es stellte sich unter anderem heraus, dass die Flitzer, trotz des Einsatzes auf Eis und bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius extra Zusatzkühlsysteme benötigen. Hintergrund dafür sind die im Motorsport mit E-Rennern permanent auftretenden thermischen Spitzenbelastungen durch die unmittelbare Abfolge von Vollgas und maximaler Bremsleistung, deren Energie natürlich zurückgewonnen wird, und der dabei System-eminenten Wärme-Entwicklung.

Motul Spezialöl für das Diff

Oder das spezielle Differential, dass mit einem eigens dafür entwickelten Spezialöl des ebenfalls in der Serie engagierten Partners Motul stammt, um auch bei diesen Bedingungen die maximale Performance zu gewährleisten. Gemeinsam passten die Beteiligten auch die Black Box mit ihrer kompletten via Kennfelder laufenden System-Steuerung des Renners, einschließlich des Data-Recordings und der Schnittstellen zum Auslesen aller der während des Rennens über unzählige Sensoren etc. gesammelten und gespeicherten Daten an.

Reifenpartner Continental

Die Hannoveraner liefern das schwarze Gold für die Renner. Zum Einsatz kommt die zweite Evolutionsstufe des IceRacingContact3 genannten Reifens. Die aktuelle Version weist eine patentierte, laufrichtungsoptimierte, speziell auf die Anforderungen der Trophée Andros zugeschnittene, direktionale Profilierung, auf. Das Profil besteht aus 29 sogenannten Pitches – Blockreihen-Elementen um mehr Quersteifigkeit zu generieren. Hintergrund dafür ist die „bevorzugte“ Fahrtrichtung der Piloten: am liebsten quer. Um dies, noch weiter als bisher bereits umgesetzt, zu ermöglichen, entwickelten die Ingenieure aus dem Continental Entwicklungszentrum in Hannover-Stöcken, eine Anbindung der Blöcke untereinander durch einen speziellen Steg. Die so erreichte ausgesprochen hohe Profilsteifigkeit war in Verbindung mit einer entsprechend robusten Auslegung der Karkasse – um den Grip möglichst lange zur Verfügung zu stellen – nur einer der Optimierungsschwerpunkte. In Kombination mit einer extrem harten und abriebfesten Auslegung der Laufflächenmischung (~ 80 Sh (A)) ermöglicht dies Bestwerte bei lateraler wie radialer Reifen Steifigkeit. Dies ist ansonsten nur noch bei Pneus für den hoch belastenden Einsatz im steinigen / felsigen Gelände zu finden. Darüber hinaus sollte auch der klassische Zielkonflikt zwischen zusätzlichem Grip einerseits und Schonung des Eises – für die perfekte Show während des gesamten Rennwochenendes andererseits - gelöst werden. Dafür waren erheblich weitergehende Berechnungen und Entwicklungen notwendig. Im Ergebnis gestalteten die Entwickler die Profilblöcke mit zwei Ebenen. Die einzelnen Blöcke erhielten dafür einen zusätzlichen sogenannten „Layer“. Dadurch wird der Überstand der in den Blöcken – computeroptimiert – angeordneten Spikes anfangs reduziert und erst später steht durch den „einsatzbedingten Abrieb “ mehr Grip zur Verfügung.

Neue Spike-Technologie

Das Ergebnis kann sich mehr wie nur sehen lassen: Das Eis wird mehr geschont – zumal auch nicht alle Blöcke bespikt werden. Stattdessen suchten die Entwickler eine passendere Anordnung der Spikes. Die Analyse des „Footprints“, der Reifenaufstandsfläche, brachte dann die entscheidenden Resultate: Eine V-förmige Anordnung erwies sich als die in diesem Fall beste Gestaltungs-Lösung. Um dennoch den Piloten entsprechend Traktion zu ermöglichen, stieg die Anzahl der Spikes in den Reifen der Dimension 10/65-16. Waren es zuvor noch 232, so greifen jetzt an der Hinterachse 290 (VA=232) zu. Deren Länge reduzierte man aber von zuvor 16 Millimetern auf 14 Millimeter. Dem noch nicht genug. Auch die Spikes selbst sind eine Weiterentwicklung des schwedischen Partners „Däckproffsen“. Sie sind im Vergleich zu den Vorgängern insgesamt – „vom Kopf bis zum Fuß“ deutlich schlanker, taillierter. Rund 25 Prozent brachte die „Kur“ an den relevanten Punkten. Sein Grundkorpus besteht aus Stahl, der eigentlich aus dem Profil heraus sichtbare Pin aus Hartmetall. Er wird mit einem speziellen Zwei-Komponenten-Kleber im Block verankert. Durch diese Maßnahmen – kürzerer Spike mit geringerem Pin-Durchmesser (2,2 statt 2,6 mm) – erhöhten sich die direkt neben den Spikes zur Verfügung stehenden Flächen/Punkte der Profilblöcke, die auch vortriebswirksamen Kontakt zum Eis haben. Nicht mehr so tief, dafür noch mehr traktionsrelevante Fläche – eine griffige Formulierung der Fachleute – mit der man beinahe den Zielkonflikt lösen konnte. Perfekt wurde die Lösung durch den planmäßigen Abrieb des „Layers“ im Verlauf des Rennwochenendes. Die ansonsten immer abnehmende Leistungsfähigkeit der Reifen – durch den harten Renneinsatz – wird dadurch kompensiert, dass die relevanten Flächen/Punkte, die zur Verfügung stehen, nahezu unverändert bleiben. So steht auch noch die „richtige“ Performance des Continental IceRacingContact3 in den letzten Runden des Finaltages den Piloten zur Verfügung.

Entwicklungs- und Marketing-Plattform

Für die beteiligten Unternehmen stehen zwei Schwerpunkte im Vordergrund. 1. Die Produkt-Entwicklungs- und Testmöglichkeiten durch die extremen äußeren Bedingungen bei den Eisrennen. Bekanntermaßen sind die extremen Temperaturen "Gift" für normale Auto-Batterien. Die "Ergebnisse" kann man am Ende nahezu nach jedem Rennwochenende live erleben: Überbrückungskabel haben Hochkonjunktur. Für die bei den Eisrennen eingesetzten "Power-Packs" spielen die Temperaturen kaum eine Rolle. Auch die Themenfelder Antrieb und Steuerungs-/Regeltechnik haben die Beteiligten SAFT und Siemens augenscheinlich "im Griff". 2. Alle beteiligten Unternehmen nutzen die Eisrennen auch für ihre Marketing- und Werbezwecke. Wo sonst kann man eine so außergewöhnliche Kombination finden: Produkt-Präsentation quasi live bei einem in Europa einzigartigen Motorsport-Event kombiniert mit Ski- und /oder Snowboard Erlebnissen auf perfekten Pisten vor der Traumkulisse völlig verschneiten 3000der.

Fazit:

"Sauberer Motorsport" mit E-Renner ist also - ohne auf "akademisch-grüne" Fragen einzugehen - im beschriebenen Rahmen möglich. Der Aufwand an der Rennstrecke bzw. den "Circuit de Glace" ist überschaubar, wenn alle Partner an einem Strang ziehen und bereit sind, ihren Teil beizutragen. Denn das Feedback, dass sie dafür in kürzester Zeit erhalten, ist nämlich in der derzeitigen Situation viel mehr Wert, als der dafür nötige finanzielle Aufwand.

Eckdaten des Andros E-Cars: Hersteller: Exagon Engineering Chassis: Gitterrohrrahmen Länge: 3660 mm Breite: 1700 mm Höhe: 1380 mm Radstand: 2490 mm Spurweite vorn: 1490 mm Spurweite hinten: 1500 mm Motor: Hersteller Siemens; Bauart: Asychron E-Motor Motor-Leistung: 90 kW / 122 PS Motor-Drehmoment: 200 Nm von 0-5000U/Min. Kraftübertragung: via Heckantrieb Getriebe: Übersetzungsverhältnis 7:1 Differential: selbstsperrend Batterien: 293 V, 27 Module von SAFT, 24 KWh Power, 130 kW /176 PS Spitzenleistung, Batterie-Gewicht: 252 kg netto Bremsen: Vier-Scheiben Ø 245 mm, Bremsenergie-Rückgewinnung V-max auf Eis: 160 km Renndauer: 35 Minuten Ladezeit für Renneinsatz: ca. 25 Minuten Fahrzeuggewicht: 800 kg

Fakten / Übersicht: Continental Ice Racing Contact 3 Eingesetzte Dimension: 10 / 65 – 16 Zur Verfügung stehende Reifenanzahl: maximal acht Reifen pro Weekend Felgen-Durchmesser: 4,5’’ / 5,5’’ Spikes: Geklebt: 232 Stück Länge: jeweils 14 mm statt 16 mm zuvor Verteilung: Computeroptimierte Anordnung der Spikes zur Lösung des Zielkonflikts von maximalem / r Grip / Show einerseits und Eis-Schonung andererseits

Weitere Infos zu den genannten Unternehmen: www.tropheeandros.com www.exagon-engineeringweb.com www.siemens.com/plm www.saftbatteries.com www.motul.de oder motul.com www.conti-online.com

Bernhard Schoke (Kastentexte)